Sind Sie und Ihre Dokumente bereit, die Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) zu erfüllen? Ganz konkret: Können die Tabellen und Grafiken auf Ihrer Homepage und in Ihren PDFs von Software vorgelesen werden?
Gefordert wird zum Beispiel, dass alle Informationen in mehr als einem sensorischen Kanal zur Verfügung stehen, damit auch Menschen mit eingeschränkter Sehkraft oder kognitiven Beeinträchtigungen in der Lage sind, sie wahrzunehmen. Schriftliche Inhalte müssen demnach so aufbereitet sein, dass sie zum Beispiel von einem PDF-Programm vorgelesen werden können.
Inhaltsübersicht
Tabellen mit vorlesbarem Text hinterlegen
Tabellen auf Webseiten können mittels GREP oder Scripting so aufbereitet werden, dass sie von KI-gesteuerten Vorlese-Tools verarbeitet werden können. Das erfordert allerdings weitreichende Programmierkenntnisse der Grafiker und Mediengestalter.
Nahezu unmöglich wird das technische Aufbereiten für KI-Vorlese-Tools, wenn die Tabellen auch inhaltlich nicht stringent und die Tabellenfelder beispielsweise gemischt gefüllt sind mit Zahlen, Wörtern und Sonderzeichen wie Strichen, Häkchen, Punkten oder Kreisen.
Es geht einfacher: Hinterlegen Sie Tabellen mit einem vorlesbaren Text. Das gilt vor allem für Tabellen, deren Zeilen und Spalten nicht einer strengen Grundordnung folgen.
Optik ist nicht alles
Viele Tabellen leben davon, dass Informationen allein durch die optische Aufbereitung der Inhalte übermittelt werden und durch ihre Positionierung zueinander. Besonders diese Informationen können von Menschen mit starker Sehbeeinträchtigung nicht wahrgenommen werden. Sie würden von einer sprachlichen Beschreibung der Tabelle profitieren.
Tabellen treffend in Worte fassen – eine Herausforderung
Die Beschreibung der Tabellen sollte sprachlich an den Fließtext anknüpfen, damit die Verbindung zwischen Text und Tabellenbeschreibung erkennbar wird.
Manche Tabellen erfordern das listenartige Wiederholen von Inhalten, damit die Unterschiede zwischen den Tabellenfeldern deutlich werden.
Ein nicht enden wollendes Auflisten von Zahlenkolonnen oder Tabellenelementen kann jedoch langweilen oder mental überfordern. Ziel ist vielmehr, die Informationen sprachlich so zusammenzuführen und aufzubereiten, dass eine hörenswerte Beschreibung der Tabelle entsteht.
Für manche Tabellenbeschreibungen ist ein umfangreicher Wortschatz erforderlich, um ähnliche Inhalte auf unterschiedliche Weise ausdrücken zu können. Dazu braucht es beispielsweise die Fähigkeit, Verben und Präpositionen sowie die vielen Konjunktionen wie aber, dagegen, und, damit, obwohl, … geschickt und präzise zu kombinieren. Allein die Variabilität der Formulierungen führt aber noch nicht zu einer verständlichen Beschreibung.
Gefragt ist auch die Fähigkeit, Kollokationen treffsicher in die Beschreibung von Tabellen einzubinden. Als Kollokation bezeichnet man Ausdrücke aus mehreren Wörtern, die so und nicht anders zusammengehören. Meine Erfahrung aus vielen Tausend Seiten geprüfter Sachtexte: Die Fähigkeit, für die gewünschte Formulierung die richtigen Wörter zusammenzufügen, geht leider immer mehr verloren. Die Folge sind viele falsche Kollokationen. Hier ein Beispiel: „Die Parteien haben ihren Streit um Ministerposten gelöst.“ Lösen kann man ein Problem oder auch Schnürsenkel, ein Streit aber wird geschlichtet.
Einige Beispiele für erfolgreich beschriebene Tabellen
Beispiel 1
Die nur grafisch zu erfassenden Inhalte werden einführend mit Worten beschrieben:
Hier zwei Berechnungsbeispiele, eines mit der Mindestversicherungssumme von 30000 Euro und eines mit der Höchstversicherungssumme von 96000 Euro:
Punkte, Währungskürzel und Maßeinheiten werden durch Text ersetzt, damit die Inhalte ohne Stocken von der KI gelesen werden:
Bei einer Versicherungssumme von 30000 Euro beträgt das Verletztengeld pro Kalendertag 66 Euro und 67 Cent.
Bei einer Versicherungssumme von 96000 Euro beträgt das Verletztengeld pro Kalendertag 213 Euro und 33 Cent.
Auf die Trennungspunkte bei Zahlen mit mehr als drei Stellen wird verzichtet, weil Vorlesesoftware aus dem englischsprachigen Raum den Punkt möglicherweise als Komma interpretiert und der Zahlenwert dadurch verfälscht würde.
UND
Die Klammern im Text über der Tabelle wurden für ein unterbrechungsfreies Vorlesen aufgelöst:
Die Versicherungssumme beträgt 30.000 €, das ist die Mindestversicherungssumme, und höchstens 96.000 €, das ist die Höchstversicherungssumme.
Beispiel 2
Die nur grafisch zu erfassenden Inhalte vorher beschreiben:
Hierzu haben wir zwei Berechnungsbeispiele, eines mit 68 Prozent vom Verletztengeld und eines mit 75 Prozent vom Verletztengeld:
Die wenigen Unterschiede der gesamten Tabelle werden hervorgehoben, indem die identischen Inhalte einheitlich formuliert werden:
Bei 68 Prozent vom Verletztengeld und einer Versicherungssumme von 30000 Euro beträgt das Übergangsgeld pro Kalendertag 45 Euro und 34 Cent, bei einer Versicherungssumme von 96000 Euro dagegen 145 Euro und 6 Cent.
Bei 75 Prozent vom Verletztengeld und einer Versicherungssumme von 30000 Euro beträgt das Übergangsgeld pro Kalendertag 50 Euro, bei einer Versicherungssumme von 96000 Euro dagegen 160 Euro.
Das Wort „dagegen“ verdeutlicht die Unterschiede der Zahlenwerte, abhängig von der Versicherungssumme.
Beispiel 3
Der Text aus der zweiten Zeile der Tabelle wurde in den Einleitungssatz integriert:
Es folgt ein Berechnungsbeispiel für die Witwen- und Witwerrente bei 40 Prozent der Versicherungssumme:
Die Reihenfolge der Inhalte dieser Tabelle wird zur besseren Verständlichkeit im Text umgekehrt – die Werte aus den Spalten werden zu einem Satz zusammengefasst:
Bei der Mindestversicherungssumme von 30000 Euro beträgt die Witwen- und Witwerrente jährlich 12000 Euro, das sind pro Monat 1000 Euro.
Bei einer Versicherungssumme von 96000 Euro beträgt die Witwen- und Witwerrente jährlich 38400 Euro, das sind pro Monat 3200 Euro.
An diesen Beispielen wird deutlich, dass ein konsequentes Vorlesen der gesamten Zeileninhalte die Informationen nicht in der richtigen Reihenfolge liefert. Hier ist die Intelligenz eines verstehenden Menschen gefordert, der die semantischen Zusammenhänge der einzelnen Tabellenfelder erkennt.
Grafiken sichtbar machen
Diagramme mit Graphen und Vektoren sowie Flussdiagramme, Ablaufpläne und Organigramme sind für das Vorlesen meist nicht geeignet, Strichzeichnungen noch viel weniger. Derzeit sind die meisten KI-Tools mit der korrekten Interpretation von Linien und Pfeilen und vor allem der sinngebenden Anordnung von Elementen noch überfordert. Die einzig sichere Lösung ist das sprachliche Beschreiben der Grafik.
Tabellen, Diagramme und Grafiken sprachlich auf den Punkt gebracht
Als Technischer Redakteur und Korrektor gehört es seit 1997 zu meinen Aufgaben, übersichtliche und schnell zu erfassende Tabellen und Grafiken zu erstellen. Seit 2020 widme ich meine Aufmerksamkeit auch dem umgekehrten Prozess: Tabellen, Diagramme und Grafiken verständlich beschreiben.
Ich bringe auch Ihre Tabellen, Diagramme und Grafiken sprachlich auf den Punkt. Interesse? Dann sprechen Sie mich an.